Das SaarCamp ist eine Konferenz und will doch keine sein. Die Veranstalter bezeichnen das Treffen deshalb als so genannten Un-Konferenz. Die Teilnehmer legen ihr Programm selbst fest und wählen dabei nicht – wie wir das von vielen herkömmlichen Kongressen kennen – aus mehreren Vortragsreihen die für sie passende. Nein, bei der Un-Konferenz ist Platz für spontane Vorträge und Eingaben. Niemand weiß deshalb vorab wie genau die 3 Tage in Saarbrücken ablaufen.
Ein solches Format passt nach meiner Einschätzung gut zum Thema: Digitale Gesellschaft. Es geht dabei (wahrscheinlich) darum, wie die Digitalisierung unser Leben beeinflusst und unsere Gesellschaft verändert. In Unternehmen werden Geschäftsprozesse automatisiert. Dabei werden zunehmend auch dispositve Funktionen von Algorithmen übernommen. Die künstliche Intelligenz erhält Einzug in die Wirklichkeit.
Es liegt dabei geradezu auf der Hand, dass sich innerhalb dieses Prozesses viel um diese technischen Neuerungen dreht. Neue Datenbanktechnologien (wie z.B. HANA von der SAP) ermöglichen einen ultraschnellen Zugriff auf sehr große Datenmengen. Die Simulation von verschiedenen Entscheidungen wird in Echtzeit möglich, weil die Voraussetzungen dafür jetzt gegeben sind.
Trotzdem finde ich den Titel der Un-Konferenz an der Saar gut gewählt. Die angesprochenen technischen Veränderungen sind eben mehr als das. Sie verändern unsere Gesellschaft und unser gesamtes Zusammenleben. Unternehmen müssen bislang erfolgreiche Geschäftsmodelle (also die Produkte und Leistungen, die Unternehmen für ihre Kunden erbringen und das dazugehörige Abrechnungsmodell) in Frage stellen. Viele Geschäftsprozesse (und damit die Arbeitsabläufe von Mitarbeitern) werden in Zukunft ganz anders ablaufen. Wir stehen dabei vor einem weiteren Automatisierungsschritt und damit einem großen Produktivitätssprung. So wird zum eine Produktionsplanung in einem ERP-System angelegt, wie wir das seit vielen Jahren kennen. Die Daten werden aber automatisch an Maschinensteuerungssysteme übergeben und die Maschinen geben die entsprechenden Rückmeldungen (z.B. die produzierten Mengen oder die Ausfallzeiten von Maschinen) direkt an das Planungssystem zurück. Der Maschinenbediener kann sich ganz auf die wenigen verbleibenden mechanischen Tätigkeiten konzentrieren.
Doch wie wirkt das auf die Menschen, die von diesen neuen Prozessen betroffen sind? Die Saarbrücker Zeitung hat das kürzlich in einem Bericht über die Saarbrücker Montagetage aufgegriffen. Das bekannte Unternehmen Miele startete zusammen mit dem Saarbrücker Forschungsinstitut ZEMA ein Industrie 4.0 Projekt. Entwickelt wurde eine App (eine auf einem mobilen Endgerät lauffähige Anwendung) mit deren Hilfe Monteure Küchengeräte zusammenbauen können. Trotz der offensichtlichen Vorteile der Lösung, wie z. b. die Steigerung der Produktqualität oder die schnellere Schulung von neuen Mitarbeitern, fühlten sich erfahrene Monteur von dem digitalen Partner bevormundet. Mitarbeiter in der Reparatur-Abteilung fürchteten, dass ihr Erfahrungswissen entwertet wird, weil jede Lösung und jeder Fortschritt in einer Wissensdatenbank gespeichert werden.
Das Beispiel zeigt sehr eindrucksvoll, dass die Einbindung der Menschen in digitalisierte Prozesse von größter Bedeutung ist. Denn erst durch das Erfahrungswissen der Menschen, lassen sich Dinge digitalisieren und dann automatisieren. Wer die Menschen für derlei Projekte gewinnen will, muss aber die Fragen beantworten, die sich den Betroffenen stellen. Eine der wichtigsten Fragen ist dabei stets die nach der eigenen Zukunft. In der Regel wird die Automatisierung nicht dazu führen, dass qualifizierte Arbeitskräfte freigesetzt werden. Sie sind nach wie vor knapp in Deutschland und das wird so bleiben. Ihr Aufgabengebiet wird sich aber verändern. Sicher wird mehr Verständnis für digitale Zusammenhänge benötigt. Keinesfalls muss aber jeder Mitarbeiter zu einem Programmierer mutieren. Aber viele werden sich daran gewöhnen müssen, mit Softwareentwicklern zusammen digitale Lösungen zu entwickeln. Zur Softwareentwicklung gehört weit mehr als der Prozesse der Programmierung. Viele Apps entstehen deshalb in so genannten Design Thinking Teams. Dort arbeiten Entwickler mit Fachleuten aus Produktion, Materialwirtschaft und Vertrieb zusammen um immer bessere Werkzeuge bereitzustellen. In Zukunft kommt es darauf an, die Kommunikation zwischen den Spezialisten aus der Informationstechnik und den Fachbereichen weiter zu verbessern. Wenn das gelingt, werden wir in Deutschland weiter erfolgreich Produkte und Leistungen entwickeln. Dafür müssen wir die Menschen gewinnen. Das setzt aber voraus, dass wir ihnen erklären, was von ihnen erwartet wird und wie wir ihnen helfen können, diesen Erwartungen auch gerecht zu werden. Es setzt ebenfalls voraus, dass wir den Menschen konkret zeigen, dass ihre Arbeit interessanter und für sie angenehmer wird.
Vom SaarCamp 2017 würde ich mir wünschen, dass auch die Frage aufgegriffen wird, welche Formate in Zukunft für die Zusammenarbeit von Fachleuten und Softwareentwicklern bereitgestellt werden können. Als Un-Konferenz wäre die Veranstaltung dafür gut geeignet.