Blog PIKON Deutschland AG
Search
sap-silver-partner-logo
blank

Neuer Unionszollkodex für Zoll- und Außenhandelsprozesse

Der Unionszollkodex vereinfacht die Zollvorgänge für Unternehmen in der EU und sorgt für eine größere Rechtssicherheit und Einheitlichkeit für die beteiligten Unternehmen. Viele Unternehmen stellen sich jetzt die Frage, wie sie ihre Zoll- und Außenhandelsprozesse optimieren können, um von den Vereinfachungen profitieren zu können. Unsere ERP Beraterin Michaela Hoffmann, Expertin für Zoll- und Außenhandelsprozesse, zeigt Ihnen einen Weg dorthin auf.

Zollvorgänge sind Schnittstellenprojekte

In einer globalisierten Welt, in der sich politische Situationen schnell ändern, brauchen Unternehmen effiziente Prozesse und ausgebildete Experten für den Außenhandel. Zumindest über ausgebildete Experten müssen alle Unternehmen verfügen, die auf Basis des neuen Unionszollkodex eine schnellere und erleichterte Zollabwicklung anstreben. Eine effiziente Abwicklung des Außenhandels kann aber nur dann erfolgen, wenn die zugrundeliegenden Zoll- und Außenhandelsprozesse an den Schnittstellen zwischen Betriebswirtschaft, IT System und beteiligten Menschen (3-Punkt-Ansatz) optimal ablaufen. Denn keiner möchte, dass seine bestellte Ware wochen- oder monatelang bei der Zollbehörde verbleibt, weil ein erforderliches Dokument fehlt. Oder dass man erst bei einer Auslieferung feststellt, dass man den Kunden aufgrund eines Embargos überhaupt nicht beliefern darf. Um solche Horrorszenarien eines jeden Projektleiters zu verhindern, muss man bereits sehr früh ansetzen. Die PIKON empfiehlt hier eine Optimierung oder eine umfassende Neukonzipierung der betroffenen Unternehmensprozesse.

Experten frühzeitig einbinden

Der erste Schritt ist, die betroffenen Prozesse zu identifizieren. Hierbei sollten die Zollexperten bereits hinzugezogen werden, da sie die Prozesse aus einer anderen Perspektive betrachten als ein Vertriebsmitarbeiter, Einkäufer oder Logistiker. So können die Experten auch die Prozessschritte bestimmen, die für andere Mitarbeiter so offensichtlich erstmal nichts mit dem Thema Zoll zu tun haben. In dieser Phase ist es wichtig, dass alle Beteiligten mit am Tisch sitzen, um so das Augenmerk vor allem auf die Schnittstellen zwischen den einzelnen Abteilungen zu lenken, die ja bekanntermaßen am anfälligsten sind für Fehler.

Ein Beispiel

Bereits bei der Entscheidung, ob die Anfrage eines Kunden weiterbearbeitet wird, kann eine erste Prüfung auf Embargos erfolgen. Sollte sich hier herausstellen, dass der Kunde aufgrund gesetzlicher Bestimmungen nicht beliefert werden darf, kann man sich auch die Weiterbearbeitung der Anfrage sparen. Da Embargos aber einer gewissen Dynamik aufgrund aktueller politischer Entwicklungen unterliegen, sollte eine gute Kommunikation zwischen Zollexperten, Vertrieb und Logistik sichergestellt werden. Im SAP ERP System kann diese Dynamik z. B. durch einen User Exit abgefedert werden, welcher eine Embargoprüfung auf Basis der aktuellsten Embargolisten durchführt und je nach Ergebnis per Workflow weitere Aktivitäten starten oder stoppen kann. Dies kann kundenindividuell in einen bestehenden Prozess integriert werden.

Überhaupt sollten die Zollexperten mit allen betrieblichen Prozessen bzgl. des Einkaufs und Verkaufs vertraut sein. Sie sollten außerdem eine Position im Unternehmen haben, die es ihnen erlaubt Änderungen bestehender Prozesse anzustoßen und andere Mitarbeiter für die Themen Zoll und Außenhandel zu sensibilisieren.

Der neue Unionszollkodex

Mit der Anwendung des Unionszollkodex ab dem 01. Mai 2016 schafft die Europäische Union ein großes Compliance-Thema für Unternehmen, in denen Import und Export Teil der Geschäftsprozesse sind. Denn das erklärte Ziel der EU mit der Einführung des Unionszollkodex war unter anderem, die Einhaltung der Vorschriften im Rahmen des Zoll- und Außenhandels besser überwachen zu können. Daher müssen die bestehenden logistischen und unterstützenden Prozesse eines Unternehmens auf ihre Vereinbarkeit mit den neuen gesetzlichen Regelungen geprüft werden und zwar sowohl in ihrer betriebswirtschaftlichen Ausprägung als auch in ihrer Abbildung in einem SAP ERP System, um hier eine entsprechende Compliance gewährleisten zu können.

Zukünftig soll der Datenaustausch mit den Zollbehörden im Rahmen von Zoll- und Außenhandelsprozessen nur noch elektronisch über ATLAS (Automatisiertes Tarif- und Lokales Zollabwicklungssystem ) erfolgen. Aber auch wenn sich die Einführung der neuen IT-Systeme zur Zollabwicklung bis Ende des Jahres 2020 hinzieht, so gelten bereits jetzt die Bestimmungen des Unionszollkodex. Auf Basis von Übergangsregelungen können bestehende IT-Systeme oder Papierformulare weiterhin genutzt werden, bis sie durch neue Releases oder elektronische Formulare abgelöst werden.

Global logistics networ. Concept of air cargo trucking rail transportation maritime shipping customs clearance.

Die wichtigsten Änderungen

Die wichtigsten Änderungen, die im Rahmen des Unionszollkodex eingeführt wurden, betreffen die folgenden Bereiche:

1. Beantragung zugelassener Wirtschaftsbeteiligter (AEO)

Wer in Zukunft den Status eines AEO (Authorised Economic Operator) beantragen möchte, muss seine berufliche Qualifikation bzw. die seiner Mitarbeiter bezogen auf den Zollbereich nachweisen. Denn in Artikel 39 d des Unionszollkodex werden zur Bewilligung des AEO-Status „praktische oder berufliche Befähigungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der ausgeübten Tätigkeit stehen“ vorausgesetzt.

Diese Befähigungen sind in der Durchführungsverordnung zum Unionszollkodex definiert:

So sind entweder 3 Jahre praktische Erfahrung des zuständigen Mitarbeiters erforderlich oder der Nachweis der „Einhaltung einer von einer europäischen Normungsorganisation verabschiedeten Qualitätsnorm für den Zollbereich“ notwendig. Der Nachweis der Befähigung kann auch über eine abgeschlossene zollrechtliche Ausbildung des zuständigen Mitarbeiters erbracht werden. Eine solche Ausbildung kann bei den Zollbehörden selbst, einer anerkannten Bildungseinrichtung oder einem akkreditierten Berufs- oder Wirtschaftsverband durchgeführt werden.

Haben Sie einen entsprechend qualifizierten Zollbeauftragten in Ihrem Unternehmen?

2. Zollverfahren

Der Unionszollkodex sieht nur noch 3 Zollverfahren vor:

  • Die Überführung von Waren in den zollrechtlich freien Verkehr für den Import in das Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft.
  • Besondere Verfahren für den Versand, die Lagerung, die Verwendung und die aktive und passive Veredelung. Somit fallen die bisherigen Zollverfahren mit wirtschaftlicher Bedeutung weg bzw. gehen in den neuen Besonderen Verfahren auf.
  • Die Ausfuhr von Waren in ein Drittland.

Das TIR-Verfahren (Carnet Transport international de marchandises par vehicules routiers) und das Carnet ATA (Admission Temporaire) können im Rahmen der Besonderen Verfahren für den Versand weiterhin genutzt werden.

3. Vorübergehende Verwahrung

Für Waren, die sich in der vorübergehenden Verwahrung befinden, gilt ab sofort eine Frist von 90 Tagen innerhalb derer sie entweder in ein Zollverfahren zu überführen sind oder wiederausgeführt werden müssen. Die Frist ist nicht mehr abhängig vom Verkehrsmittel, mit dem die Waren befördert wurden.

4. Lieferantenerklärung

Die Langzeit-Lieferantenerklärung ist nun laut Artikel 62 des Unionszollkodex 2 Jahre ab Ausstellungsdatum gültig. Sollte sie allerdings nachträglich ausgestellt werden, so ist die Gültigkeit auf 1 Jahr vor Ausstellungsdatum begrenzt. Der Wortlaut der Lieferanterklärung bleibt unverändert bestehen.

5. Verbindliche Zolltarifauskunft

Für die Beantragung einer verbindlichen Zolltarifauskunft werden laut Durchführungsverordnung weiterhin die Papiervordrucke verwendet, da das vorgesehene IT-System hierfür noch nicht einsatzbereit ist. Eine verbindliche Zolltarifauskunft (vZTA) ist laut Artikel 33 (3) nur noch 3 Jahre lang gültig, statt wie bisher 6 Jahre.

Fazit

Die Etablierung von Außenhandelsprozessen, die die Einhaltung der zoll- und außenwirtschaftsrechtlichen Bestimmungen gewährleisten und obendrein eine effiziente Abwicklung erlauben, ist unerlässlich für den Erfolg international operierender Unternehmen.

TAGS
Teilen Sie diesen Beitrag
LinkedIn
XING
Facebook
Twitter
Über den Autor
Michaela Hoffmann
Michaela Hoffmann
Michaela Hoffmann war bei PIKON Deutschland Senior Consultant im Bereich SAP ERP und Fachkraft für Zoll- und Außenwirtschaft.

Schreibe einen Kommentar

Weitere Blog-Artikel zu diesem Thema