In Zeiten des globalen Wettbewerbs unterliegen die Organisationsstrukturen von Unternehmen einem ständigen Wandel. Steuerliche, organisatorische und rechtliche Gründe führen dazu, dass innerhalb eines Konzerns mehrere rechtlich selbstständige Unternehmen entstehen, die Geschäfte untereinander abwickeln. Vertriebs- und Servicegesellschaften spezialisieren sich auf den Absatz in unterschiedlichen Märkten, während sich produzierende Einheiten auf die Entwicklung und Herstellung der Produkte konzentrieren.
Herausforderungen durch rechtlich selbständige Einheiten innerhalb eines Konzerns
Probleme, die sich aus einem solchen Standard-Vertriebsprozess ergeben, können u.a. folgende sein:
- Unnötige Doppelerfassung mit zusätzlichen Fehlerquellen durch Übertragung der Daten
- Implementierungs- und Wartungsaufwand einer automatisierten Lösung, wie wir sie bei manchen Kunden vorfinden
- Änderungsproblematik: was passiert, wenn der Kunde seinen Auftrag ändert, nachdem die Bestellung schon an die produzierende Gesellschaft gesendet wurde? Wie wird in so einer Situation der Inhalt zwischen Auftrag und Bestellung synchron gehalten? Was passiert, wenn die Produktion etwas ändern möchte und wie gelangt diese Information an den Kundenauftrag?
Möglichkeiten der Darstellung von Cross-Company-Prozessen
Verkauf an Endkunden
Hierbei kauft ein Endkunde außerhalb des eigentlichen Konzerns Produkte bei einer Konzerngesellschaft, der Vertriebsgesellschaft. Die Lieferung erfolgt tatsächlich jedoch aus dem Bestand einer anderen Konzerneinheit, der Produktionsgesellschaft. Die Vertriebsgesellschaft berechnet die Ware an den Endkunden, während die Produktionsgesellschaft die Ware direkt an den Endkunden liefert und eine interne Rechnung an die Vertriebsgesellschaft stellt.
Die Vertriebsgesellschaft erfasst in diesem Prozess zunächst den Kundenauftrag vom Endkunden, erzeugt dann eine Bestellung und leitet diese an die Produktionsgesellschaft weiter. Dort wird ein Kundenauftrag (Auftraggeber ist die Vertriebsgesellschaft) angelegt. Die Auslieferung an den Endkunden erfolgt über einen Lieferbeleg. Mit Bezug zu dieser Lieferung erfolgt die Fakturierung an die Vertriebsgesellschaft, die abschließend die Rechnung an den Endkunden stellt. Dieser Prozess entspricht dem klassischen Streckengeschäft.
Konzerninterne Beschaffung
Dabei sind Kunde und Lieferant jeweils Unternehmen eines Konzerns. Der Kunde bestellt die Ware, und diese wird vom Lieferanten geliefert und berechnet. Der Kunde wird Eigentümer und führt die Ware in seinem Bestand. Anschließend verbraucht er die Ware als Rohstoff oder Komponente in der eigenen Produktion oder verkauft diese als Handelsware weiter.
Bei der konzerninternen Beschaffung wird in der Vertriebsgesellschaft eine Bestellung erfasst. Lieferant ist die Produktionsgesellschaft, die bei sich einen Kundenauftrag (Auftragsgeber ist die Vertriebsgesellschaft) erfasst. Über eine Lieferung wird die Warenlieferung in SAP abgebildet. Die Produktionsgesellschaft stellt eine Rechnung an die Vertriebsgesellschaft, die dort zu einer Eingangsrechnung führt.
Mögliche Szenarien in SAP S/4HANA
Sowohl der Prozess „Verkauf an Endkunden“, wie auch der Prozess „Konzerninterne Beschaffung“ sind als konventionelle Liefervorgänge anzusehen. Beide Abläufe können im SAP-System durch folgende Szenarien optimiert abgebildet werden:
- Buchungskreisübergreifender Verkauf (Verkauf an Endkunden)
- Buchungskreisübergreifende Umlagerung (konzerninterne Beschaffung)
Beide Szenarien in SAP ermöglichen eine wesentlich schlankere Abbildung von Cross-Company-Prozessen als die konventionellen Vorgehensweisen, „Verkauf an Endkunden“ und „Konzerninterne Beschaffung“.
Buchungskreisübergreifender Verkauf
Im Folgenden werden wir die oben gezeigten 5 Schritte näher beleuchtet:
- Erfassen des Cross-Company-Auftrags im verkaufenden Buchungskreis
- Erfassen der Lieferung im produzierenden Buchungskreis
- Externe Faktura im verkaufenden Buchungskreis
- Interne Faktura im produzierenden Buchungskreis
- Eingangsrechnung im verkaufenden Buchungskreis
1. Cross-Company-Auftrag
Im Buchungskreis der Vertriebsgesellschaft (Buchungskreis 2000) wird ein Kundenauftrag erfasst. In der Position des Kundenauftrages wird jedoch ein Auslieferungswerk ermittelt, das dem Buchungskreis der Produktionsgesellschaft zugeordnet ist. Somit kann die Ware aus dem Produktionswerk direkt an den Endkunden geliefert werden. Die Versandstelle gehört damit ebenfalls zu dem Werk der Produktionsgesellschaft.
Über die Preisfindung wird in diesem Auftrag zusätzlich die Konditionsart „interner Verrechnungspreis“ ermittelt. Das ist der Preis, der zwischen der Produktions- und Vertriebsgesellschaft vereinbart wurde und von der Produktionsgesellschaft an die Vertriebsgesellschaft in Rechnung gestellt wird. Im Auftrag ist diese Kondition statistisch und beeinflusst den Auftragswert nicht. Sie stellt lediglich den Verrechnungspreis der Produktionsgesellschaft an die Vertriebsgesellschaft als zusätzliche Information dar.
Da als Auslieferungswerk der Position direkt das Werk der Produktionsgesellschaft erfasst wurde, erfolgt die Bedarfsübergabe unmittelbar in diesem Werk. Auch die Verfügbarkeitsprüfung prüft gegen die Bestände bzw. die geplanten Zu- und Abgänge im Produktionswerk. Dadurch kann sowohl die Bestellung in der Vertriebsgesellschaft als auch der Kundenauftrag in der Produktionsgesellschaft entfallen. Im Vergleich zur Abbildung „Verkauf an Endkunden“ entfallen somit zwei Prozessschritte.
2. Lieferung
Mit Bezug zum Kundenauftrag in der Vertriebsgesellschaft wird dann im Werk der Produktionsgesellschaft (Buchungskreis 1000) ein Lieferbeleg in SAP erzeugt. Dieser unterscheidet sich zunächst nicht von der Lieferungsbearbeitung im normalen Auftragsprozess. Allerdings stellt sich bei dem buchungskreisübergreifenden Verkauf die Frage nach der Ermittlung des Vertriebsbereichs. Normalerweise wird der Vertriebsbereich aus dem Kundenauftrag übernommen. Dies ist hier allerdings nicht möglich, da der Kundenauftrag in einem anderen Buchungskreis liegt. Deshalb müssen hier im Vorfeld jedem (Liefer-)Werk ein Vertriebsbereich für die interne Verrechnung zugeordnet werden.
3. Externe Faktura
Im Unterschied zur „normalen“ Auftragsabwicklung werden im Szenario des buchungskreisübergreifenden Verkaufs zwei Fakturen mit Bezug zur Lieferung angelegt. Zunächst wird die externe Faktura im Buchungskreis der Vertriebsgesellschaft erzeugt. Über diese fakturiert die Vertriebsgesellschaft die Lieferung an den Endkunden. Die Erlöse werden in der Finanzbuchhaltung gebucht und an die Ergebnis- und Marktsegmentrechnung übergeben. Allerdings werden die Kosten in der Ergebnisrechnung hier in der Regel nicht aus dem Verrechnungspreis ermittelt, denn dieser spiegelt bekanntlich den Bewertungspreis in der Produktionsgesellschaft und somit die Planherstellungskosten aus Sicht eines anderen Buchungskreises wider. Die Kosten in der Ergebnis- und Marktsegmentrechnung werden daher häufig über den „internen Verrechnungspreis“ ermittelt. Dies ist der Preis, den die Vertriebsgesellschaft an die Produktionsgesellschaft zahlt. Aus Sicht der Vertriebsgesellschaft stellt der interne Verrechnungspreis also die Kosten des Umsatzes dar.
4. Interne Faktura
Ebenfalls mit Bezug zur Lieferung wird die interne Faktura im produzierenden Buchungskreis erzeugt. In diesem Fall ist der interne Verrechnungspreis nicht mehr statistisch, vielmehr dient er jetzt der Ermittlung des Fakturawertes. Der Vertriebsbereich wird aus der Lieferung übernommen. Durch die interne Faktura wird ein Buchhaltungsbeleg im liefernden Buchungskreis erzeugt. Dieser bucht die Umsatzerlöse, die Forderung und die Mehrwertsteuer. Genau wie in der externen Faktura erfolgt eine Fortschreibung in die Ergebnis- und Marktsegmentrechnung im liefernden Buchungskreis bei der die Erlöse sowie die Kosten übergeben werden. Die Ermittlung der Erlöse basiert auf dem internen Verrechnungspreis und damit auf dem Preis, den der verkaufende Buchungskreis an den liefernden Buchungskreis bezahlen muss.
5. Eingangsrechnung
Im letzten Schritt kommen wir zur Verbuchung der Eingangsrechnung im verkaufenden Buchungskreis. Im „normalen“ Einkaufsprozess (Bestellanforderung, Bestellung, Wareneingang, Rechnung) wird die Eingangsrechnung über die Rechnungsprüfung mit Bezug zur Bestellung und Wareneingang verbucht. Im konventionellen Ablauf (Verkauf an Endkunden) würde dies deckungsgleich erfolgen. Da aber im Szenario des buchungsübergreifenden Verkaufs Bestellung und Wareneingangsbuchung in der Vertriebsgesellschaft entfallen, ist diese Funktion hier nicht einsetzbar, weshalb die Rechnung direkt in der Finanzbuchhaltung als Kreditorenbeleg zu erfassen ist.
Buchungskreisübergreifende Umlagerung
Neben dem „buchungskreisübergreifenden Verkauf“ ist auch der Prozess der „buchungskreisübergreifenden Umlagerung“ eine mögliches Abbildungsszenario in SAP S/4HANA.
Im Folgenden werden wir die oben gezeigten 5 Schritte näher beleuchten:
- Erfassen der Umlagerungsbestellung
- Erfassen der Nachschublieferung
- Durchführen der internen Verrechnung
- Wareneingangsbuchung in der Vertriebsgesellschaft
- Erfassen der Eingangsrechnung
1. Umlagerungsbestellung
Im ersten Schritt wird in der Vertriebsgesellschaft eine Umlagerungsbestellanforderung erfasst. Jede Umlagerungsbestellanforderung wird im Werk der Vertriebsgesellschaft als geplanter Zugang in der Disposition wirksam. Gleichzeitig wird sie als geplanter Abgang (Bestellanforderungsabruf) in der Produktionsgesellschaft eingelastet. Mit der Umsetzung der Umlagerungsbestellanforderung in eine Umlagerungsbestellung in der Vertriebsgesellschaft wird der Abrufbedarf zu einem Bestellabruf in der Produktionsgesellschaft. Die Umlagerungsbestellung enthält den Lieferantenstamm (im Belegkopf), der die Produktionsgesellschaft als Kreditor in der Vertriebsgesellschaft repräsentiert. In diesem Kreditorenstamm ist das Lieferwerk hinterlegt, wodurch das System erkennt, dass es sich um eine Umlagerung aus einem anderen Werk handelt. Es ist auch möglich direkt mit einer Umlagerungsbestellung zu beginnen.
2. Nachschublieferung
Mit Bezug zur Umlagerungsbestellung kann nun eine Lieferung mit der Lieferart „Nachschublieferung Cross Company“ in der Produktionsgesellschaft (Buchungskreis 1000) angelegt werden.
Bei der Terminauftragsabwicklung wird der Warenempfänger im Auftrag erfasst und in den Lieferbeleg kopiert. Allerdings ist dies bei dieser Abwicklung hier nicht möglich, da es keinen Kundenauftrag gibt. Vielmehr wird der Warenempfänger über die entsprechende Einstellung in der Materialwirtschaft ermittelt. Dort ist jedem Empfangswerk ein entsprechender Debitorenstamm zugeordnet. Das Empfangswerk wiederrum wird in der Umlagerungsbestellung vom Anwender erfasst.
3. Interne Verrechnung
Mit Bezug zur Lieferung wird in der Produktionsgesellschaft (Buchungskreis 1000) eine Faktura mit der Fakturaart „interne Verrechnung“ angelegt. Im Unterschied zum Szenario „buchungskreisübergreifender Verkauf“ entfällt die externe Faktura. Es können hier keinerlei Konditionen aus dem Kundenauftrag übernommen werden, weshalb u.a. der interne Verrechnungspreis neu ermittelt werden muss. Ansonsten unterscheidet sich der Fakturierungsvorgang nicht von der Erstellung der internen Faktura beim buchungskreisübergreifenden Verkauf.
4. Wareneingangsbuchung
Im vierten Schritt wird der Wareneingang in der Vertriebsgesellschaft gebucht. Dies erfolgt mit Bezug zur Umlagerungsbestellung. Damit werden die entsprechenden Bestellpositionen zur Auswahl angeboten. Über die Wareneingangsbuchung wird die Bestellentwicklungsstatistik der Umlagerungsbestellung nahtlos fortgeschrieben.
5. Eingangsrechnung erfassen
Im letzten Schritt des Ablaufs ist die Eingangsrechnung in der Vertriebsgesellschaft zu erfassen. Im Unterschied zum Szenario „buchungskreisübergreifender Verkauf“ existiert jetzt in der Vertriebsgesellschaft eine Bestellung. Für den Anwender ergeben sich keine Unterschiede zur Erfassung einer „normalen“ Eingangsrechnung.
Aber auch der Cross-Company-Prozess kann seine Tücken haben:
- Wie wird der Auftragseingang und Auftragsbestand in den Vertriebsstatistiken ordentlich ausgewiesen? In der Regel basiert dies auf dem Kundenauftrag. Nun fehlt allerdings einer der zwei Aufträge.
- Änderungen im Auftrag werden zwar leichter synchron gehalten, sie wirken sich aber auch unmittelbar in der Produktion aus. Ist dies immer so gewollt? Im klassischen Standard-Vertriebsprozess gibt es durch die getrennten Aufträge eine bessere Abkapselung und Trennung.
Fazit
Wie oben dargestellt, können Cross-Company-Prozesse unterschiedlich in SAP S/4HANA abgebildet werden. Welches Szenario bei Ihnen Sinn macht hängt von Ihren konkreten Anforderungen und den systemischen Voraussetzungen ab, z.B. ob sich alle verbundenen Unternehmen in einem SAP-System und einem Kostenrechnungskreis befinden. Wir helfen Ihnen gerne weiter!
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