Eine der wesentlichsten Änderungen in der Entwicklung von SAP S/4HANA war die obligatorische Aktivierung des sogenannten Material-Ledger. Das Material-Ledger ist Teil des Moduls SAP Controlling (CO) und zeichnet alle Materialbewegungen einzelpostengenau auf. Die Besonderheit liegt in der Möglichkeit, Materialpreise in verschiedenen Währungen und mit unterschiedlichen Bewertungen führen zu können. Darüber hinaus ist das Material-Ledger maßgeblich an der (optionalen) Einführung der Ist-Erzeugniskalkulation beteiligt. Im Folgenden werden die Komponenten und Vorteile des Material-Ledgers erläutert. Anschließend werden wir die Istkalkulation beleuchten: was sie ist, wie sie durchgeführt wird und welche Auswirkungen sie auf Ihre Preisgestaltung haben kann.
Die Komponenten des Material-Ledgers
Das Material-Ledger von SAP ist eine einzelpostengenaue Aufzeichnung aller Ereignisse im Zusammenhang mit den Materialien eines Unternehmens, wie z.B. Wareneingänge, Rechnungseingänge und Abrechnungen von Fertigungsaufträgen. Es ist Teil des Universal-Journal von SAP S/4HANA. Sein Hauptziel ist es, Unternehmen mehr Transparenz bei der Effizienz ihrer Materialbewegungen zu bieten. In diesem Sinne bietet das Material-Ledger auch eine Reihe von ergänzenden Analyse- und Berichtsfunktionen sowohl in der GUI als auch in Fiori.
Obwohl die Aktivierung des Material-Ledgers in S/4HANA verpflichtend ist, lässt sich das Set-Up des Material-Ledgers dennoch weitgehend an die spezifischen Anforderungen eines Unternehmens anpassen. Zunächst einmal kann jedes Ereignis im Ledger in bis zu drei verschiedenen Währungen geführt werden: einer lokalen Standard- oder Buchungskreiswährung, einer globalen oder Kostenrechnungskreiswährung und einer festen Währung. Letztere ist vor allem für Unternehmen interessant, die unter hohen Inflationsraten leiden, da sie so einen besseren Einblick in die Auswirkungen der Inflation auf ihren Bestand erhalten. Die globale Währung ist vor allem für Konsolidierungszwecke von Vorteil. Alle Umrechnungen in die gewünschten Währungen erfolgen zu historischen Kursen, d.h. zu den Kursen, die zum Zeitpunkt der Buchungen gültig waren.
Zweitens kann jeder für das Material-Ledger relevante Geschäftsvorfall in Übereinstimmung mit bis zu drei verschiedenen „Bewertungen“ aufgezeichnet werden. Die erste obligatorische Bewertung ist die „Legal-“ oder „Unternehmenssicht“. Hier wird jeder Buchungskreis als eigene rechtliche Einheit behandelt. Bei der Beschaffung von Materialien von verbundenen Unternehmen werden daher buchungskreisübergreifende Preisvereinbarungen (Transferpreise) und steuerrechtliche Anforderungen berücksichtigt. Bei der „Konzern-“ oder „Managementsicht“ hingegen wird die gesamte Organisation als eine einzige Konzerneinheit betrachtet. Etwaige Zwischengewinne werden eliminiert, so dass ein konsolidierter Finanzbericht erstellt wird. Die „Profitcentersicht“ schließlich betrachtet die Profitcenter eines Unternehmens als unabhängige Einheiten. Alle zwischen den Geschäftsbereichen vereinbarten Managementpreise werden berücksichtigt.
Die Kombination aus einer Währung und einer Bewertung bilden einen „Wertansatz“. Erforderliche Wertansätze sollten identifiziert werden, bevor das Material-Ledger produktiv gesetzt wird. Einmal aktiviert, können diese Einstellungen nicht mehr gesetzt oder geändert werden. Es wird empfohlen, nur die Wertansätze einzurichten, die in Zukunft verwendet werden, um übermäßige Systemverarbeitungszeit und Wartung zu vermeiden.
Abbildung 1: Es gibt mehrere Kombinationen von Währungen und Bewertungen, sogenannte Wertansätze. Diese können einer Material-Ledger-Art zugeordnet werden, die wiederum einem Bewertungskreis zugeordnet ist (siehe Abbildung 2).
Istkalkulation
Die Bewertung der Materialien selbst erfolgt entsprechend der Preissteuerung in ihrem Stammsatz. In der Regel können Sie zwischen dem Standardpreis (S) und dem gleitenden Durchschnittspreis (V) wählen. Bei der Standardpreisermittlung wird in einem ersten Schritt eine Kostenkalkulation durchgeführt. Die daraus resultierende Kalkulation wird anschließend verwendet, um dem Material in allen verwandten Transaktionen mindestens einer Periode einen konstanten Preis zuzuordnen. Etwaige Differenzen zwischen dem kalkulierten Preis und dem tatsächlichen Preis der Warenbewegung werden auf ein Preisdifferenzkonto (GuV) gebucht. Folglich kann der Wert des Bestands von der Realität abweichen, wenn sich der Preis eines Materials im Laufe der Zeit stark ändert. Dieser Effekt wird bei Produkten, deren Stückliste aus mehreren Stufen besteht, noch verstärkt, da jede Produktionsstufe (Rohstoffe, unfertige Erzeugnisse, Fertigerzeugnisse) immer mehr Materialien verbraucht, deren Preisunterschiede nicht berücksichtigt werden.
Die zweite Methode zur Preisfindung, der gleitende Durchschnittspreis, ist vorsichtiger im Hinblick auf Echtzeit-Preisschwankungen. Einem Material wird der durchschnittliche Bestandswert zugeordnet, d.h. der Gesamtbestandswert geteilt durch die Anzahl der auf Lager befindlichen Artikel. Diese Preise werden nach jedem Wareneingang, Rechnungseingang und/oder jeder Auftragsabrechnung neu kalkuliert. Dies kann zwar zu schnelleren Preisanpassungen führen, aber auch dazu, dass das (Produktions-)Kostenmanagement keinen stabilen Maßstab hat und sich kleine Fehler bei der Dateneingabe stark auswirken. Darüber hinaus sind die Materialpreise stark davon abhängig, wann der Verbrauch des Warenausgangs im System erfasst wird: Erfolgt der Rechnungseingang erst nach dem Verbrauch, spiegeln sich die Beschaffungskosten nicht im Wert des ausgehenden Materials wider.
Durch den Einsatz des Material-Ledgers können Unternehmen eine dritte Preissteuerungstechnik aktivieren, die die Vorteile der beiden traditionellen Techniken kombiniert und gleichzeitig deren Nachteile umgeht. Bei dieser Technik, die als „Istkalkulation“ bezeichnet wird, wird ein konstanter Standardpreis über mindestens eine Periode hinweg angewendet. Etwaige Differenzen zwischen dem konstanten Preis und dem tatsächlichen Preis der Warenbewegung werden im Material-Ledger auf Materialbasis festgehalten. Am Periodenende werden diese Aufzeichnungen verwendet, um die „periodischen Einheitspreise (PUP)“ der Materialien abzuleiten. Die errechneten PUP können bei der Neubewertung der Bestände und Verbräuche („Abschlussbuchungen“) oder bei der Ermittlung der geplanten Materialpreise zukünftiger Perioden (optionale Aktualisierung der Materialstammsätze) berücksichtigt werden. Mit anderen Worten: Die Istkalkulation bietet einen stabilen Maßstab für das Kostenmanagement und ermöglicht gleichzeitig eine Echtzeit-Überwachung der Materialpreise.
Je nach Ihrer Systemkonfiguration können Abweichungen zwischen dem konstanten periodischen Preis und dem tatsächlichen Preis der Warenbewegung auf einer oder mehreren Ebenen analysiert werden. Einstufige Differenzen treten für ein einzelnes Material im Rahmen eines Direktbeschaffungs- oder Abrechnungsprozesses auf. Mehrstufige Differenzen entstehen als Abweichungen für untergeordnete Produkte (z.B. Rohstoffe), die für übergeordnete Produkte (z.B. Halb- und Fertigerzeugnisse) auf der Grundlage der Stückliste und der verbrauchten Mengen ermittelt werden. Durch die Fortschreibung der Abweichungen über verschiedene Fertigungsstufen hinweg erhalten wir einen Einblick in die Effizienz der verschiedenen Produktionsprozesse.
Wie bereits erwähnt, ist die Aktivierung der Istkalkulation für das Material-Ledger optional. Wenn die Istkalkulation aktiviert ist, können die entsprechenden Kalkulationen auch nur zu informativen Zwecken verwendet werden, ohne dass sich dies auf den Bestandswert auswirkt und ohne dass man die traditionellen Preiskontrollmethoden nutzt. In diesem Fall führen die Berechnungen der Istkalkulation nicht zu Buchungen oder Neubewertungen.
Sprechen Sie uns an!
Wenn Sie Fragen zum Material-Ledger oder zur Istkalkulation haben, vereinbaren Sie gerne ein Web-Meeting oder schreiben Sie uns Ihre Frage in das Kommentarfeld am Ende des Artikels.
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