Spätestens seit der schwindelerregenden Rallye des bitcoin (BTC) Ende des Jahres 2017, als ein bitcoin umgerechnet etwa 19.500 USD wert war, wurden die Öffentlichkeit und Medien aufmerksam auf digitale Währungen, bekannt unter dem Namen Kryptowährungen. Seit geraumer Zeit ist es deutlich ruhiger geworden um den Hype der Kryptowährungen wie bitcoin, Ethereum oder IOTA. Vielmehr interessieren sich insbesondere privatwirtschaftliche Unternehmen, aber auch Unternehmen der öffentlichen Hand, für die Technologie, die hinter der Kryptowährung steckt: der sogenannten Blockchain-Technologie und deren Anwendungsmöglichkeiten. Doch was ist Blockchain überhaupt?
Die Idee hinter Blockchain
Seit jeher versuchen wir Menschen Wege zu finden, um Unsicherheiten beim Warenaustausch zu reduzieren und Handel zu betreiben. Mit steigender Komplexität bei wirtschaftlichen Aktivitäten erschufen wir formale Institutionen wie die Europäische Zentralbank oder Regierungen, damit wir Waren sicher austauschen können. In der Zeit des Online-Handels verlassen wir uns nun auf Plattformen wie Amazon oder eBay, Institutionen die als Mittler fungieren und uns Sicherheit geben, wenn wir mit „Fremden“, ohne persönlichen Kontakt, Handel betreiben. Gemein ist all diesen Institutionen, dass sie zentrale Instanzen darstellen, auf die wir vertrauen und uns verlassen müssen. Eine Bank beispielsweise könnte jederzeit unser Geld einfrieren oder eine Auszahlung verweigern.
Blockchain und DLT versuchen eben diesen Herausforderungen, denen wir zunehmend im digitalen Zeitalter ausgesetzt sind, zu begegnen:
- Schaffung von Vertrauen
- Zentralität vs. Dezentralität
- und Lösung des Double-Spending-Problems. [1]
Schaffung von Vertrauen
Wenn sich zwei Parteien, die Handel betreiben möchten, nicht kennen, gibt es Informationsasymmetrien zwischen den Teilnehmern und eine hohe Unsicherheit. Wird der Verkäufer mir die Ware schicken, sobald ich mein Geld überweise? Und aus Sicht des Verkäufers: Erhalte ich wirklich mein Geld vom Käufer? Im Internet können wir uns als Käufer oftmals einzig auf vergangene Kundenrezensionen verlassen. Um das Anonymitätsproblem zu lösen, können sogenannte Trusted Third Parties (TTP) zum Einsatz kommen. Diese übernehmen die Kommunikation und Transaktionen zwischen verschiedenen (unbekannten) Parteien und stellen Vertrauen her. Banken oder Unternehmen wie PayPal stellen solche TTPs dar. Vertrauen wird hergestellt, indem Bezahlungen beim Handel von Waren garantiert werden. Wenn Sie einen Flatscreen über den Bezahldienst PayPal kaufen, kann sich der Verkäufer darauf verlassen, wenn er bei PayPal eine Anfrage stellt, dass die Überweisung getätigt wird. Trotz solcher TTPs bleibt eine Restunsicherheit, denn Sie könnten die Zahlung von PayPal zurückfordern, was zu ansteigenden Transaktionskosten führt. [1]
Zentralität vs. Dezentralität
In einem zentralen Netzwerk gibt es einen Knotenpunkt, über den der Datentransfer abgewickelt wird und der alle anderen Rechner miteinander verbindet. Der Ausfall des zentralen Knotenpunktes geht somit einher mit dem Gesamtausfall aller in dem Netzwerk beteiligten Teilnehmer (Single Point of Failure). Obwohl das Internet ein dezentrales Netzwerk darstellt, fand in der Vergangenheit zunehmend eine Zentralisierung aufgrund der Firmen wie Facebook, Amazon oder eBay statt. Diese Anbieter vereinen hohe Nutzerzahlen auf ihren Plattformen und können folglich große Einflussnahme auf das Netzwerk ausüben, z. B. durch Zensur von Informationen oder Ausschluss bestimmter Nutzer. [1]
Lösung des Double-Spending-Problems
Wenn wir etwas mit Bargeld zahlen, hat dies einen entscheidenden Vorteil gegenüber Online-Überweisungen oder elektronischen Zahlungen: Das Bargeld geht direkt von dem Zahlenden an den Zahlungsempfänger über. Es gibt keinen Intermediär, der zwischengeschaltet ist, und die Zahlung blockieren oder Gebühren erheben könnte. Physisches Bargeld lässt sich zudem nicht einfach vervielfältigen. Einen 5-Euro-Schein, den Sie für den Einkauf von Obst auf dem Wochenmarkt ausgeben, können Sie nicht mehrmals verwenden. In der digitalen Welt ist dies jedoch nicht gegeben. Sie können beispielsweise Dateien auf Ihrer Festplatte beliebig oft kopieren und an Ihre Freunde verschicken. Wenn Sie nun eine digitale 20-Euro-Geldnote besitzen, könnten Sie diese kopieren und mehrmals versenden. Infolgedessen würde allerdings die Inflation in die Höhe schnellen und das digitale Geld wäre wertlos. Der Vorgang des „doppelten“ (oder mehrmaligen) Ausgebens desselben Geldes wird auch als Double Spending bezeichnet, was mithilfe der Blockchain-Technologie gelöst werden soll. [1] [2]
So begegnen Blockchain und DLT diesen Herausforderungen
In den Medien und der Literatur werden die Begriffe Blockchain und Distributed Ledger Technology (DLT) oftmals synonym verwendet [3]. Die Technologien ähneln sich sehr, unterscheiden sich jedoch in bestimmten Aspekten wie der Speicherung der Daten [1]. Vereinfacht ausgedrückt stellt Blockchain eine spezielle Art der Distributed Ledger Technology dar.
Unter einer Blockchain verstehen wir ein digitales Hauptbuch, in dem Transaktionen zu einem sogenannten Hash gebündelt und somit sicher und unveränderbar gespeichert werden. Mithilfe eines Konsensprotokolls verwalten Nutzer des Netzwerkes dieses Hauptbuch. [1] [2]
Eine Blockchain zeichnet sich insbesondere durch fünf Charakteristika aus: verteilte Datenbank, Peer-to-Peer, Pseudonymität, Irreversibilität und Rechenlogik [4]. Jeder Teilnehmer in der Blockchain hat Zugriff auf die Datenbank und somit die gesamte Transaktionshistorie (verteilte Datenbank). Wenn Sie bspw. die Blockchain von Bitcoin herunterladen möchten, sind dies zurzeit bereits über 200 Gigabytes. Somit besitzt niemand allein die volle Kontrolle über die Informationen. Die Kommunikation innerhalb des Netzwerks findet Peer-to-Peer statt, d. h., es gibt keinen zentralen Knoten. Alle Transaktionen einer Blockchain sind per se öffentlich einsehbar, aber jeder Teilnehmer des Netzwerkes besitzt ein Pseudonym. Allerdings könnte die gesamte Transaktionshistorie eines Teilnehmers öffentlich eingesehen werden, wenn eine Verbindung zwischen dem Pseudonym und der realen Person hergestellt wurde. Außerdem kann eine Transaktion, wenn sie in die Blockchain geschrieben wurde, nicht mehr abgeändert werden (Irreversibilität). Schließlich können Benutzer einer Blockchain Algorithmen programmieren und Regeln zur automatischen Transaktionsauslösung zwischen Knoten hinterlegen (Rechenlogik). [4]
Bitcoin ist vermutlich der prominenteste Vertreter der Blockchain-Technologie. In der Vergangenheit wurde Bitcoin häufig gleichgesetzt mit Blockchain. Allerdings handelt es sich bei Bitcoin um eine digitale Währung, einer Kryptowährung, die lediglich eine Anwendungsmöglichkeit/-fall der Blockchain-Technologie darstellt.
Wann sollte ich die Blockchain-Technologie in meinem Unternehmen einsetzen?
Eine Vielzahl an Unternehmen beschäftigt sich bereits mit der Thematik Blockchain und möchte auf den fahrenden Zug aufspringen. Sämtliche Geschäftsideen und Innovationen oder aber bestehende Produkte/Dienstleistungen des Unternehmens werden hinsichtlich der Buzz-Wörter „Blockchain“, „DLT“ und „Kryptowährungen“ unter die Lupe genommen. Dabei eignet sich die Blockchain-Technologie keinesfalls für alle Anwendungen in einem Unternehmen. Vielmehr sollte systematisch analysiert werden, ob die Blockchain-Technologie speziell für meinen bestimmten Anwendungsfall sinnvoll genutzt werden und einen Mehrwert für meine Kunden geschaffen werden kann.
Das Modell von Wüst und Gervais (2018) kann bei der Entscheidungsfindung, ob die Blockchain-Technologie im Unternehmen angewendet werden sollte, helfen (siehe Abbildung 1) [1] [5].
Eine Blockchain stellt eine Datenbank und ein dezentrales Netzwerk dar. Somit sollten zum einen Daten gespeichert werden müssen und zum anderen verschiedene Nutzer Schreibrechte auf die Datenbank benötigen. Außerdem sollten sich die unterschiedlichen Parteien des Netzwerkes untereinander nicht vollkommen vertrauen und somit Informationsasymmetrien vorherrschen. Zu guter Letzt sollte es keinen vertrauenswürdigen Intermediär (TTP) geben, der zwischengeschaltet werden kann. [1] [5]
Everledgers Lösung für die Diamanten-Industrie
Um das Modell besser zu verstehen, schauen wir uns noch ein Praxisbeispiel an: Everledger versucht unter anderem den Herkunftsnachweis von Diamanten zu gewährleisten [1]. Zunächst speichert eine Zertifizierungsstelle die individuellen Merkmale des geschliffenen Diamanten in einer Blockchain ab. Sobald ein Käufer diesen Diamanten erwirbt, wird der Eigentumswechsel ebenfalls in der Blockchain festgehalten. Der Käufer versichert in der Regel den Diamanten und die Versicherungsdaten werden ebenso in der Blockchain hinterlegt. Sollte nun der Diamant gestohlen werden, wird das der Versicherung gemeldet und sie speichert den Diebstahl in der Blockchain ab. Sobald der gestohlene Diamant verkauft wird, kann ein Händler den Diamanten überprüfen lassen und würde feststellen, dass es sich hierbei um ein Diebesgut handelt. Gemäß des Entscheidungsmodells (Wüst und Gervais 2018) handelt es hier um einen geeigneten Anwendungsfall der Blockchain-Technologie. Wir benötigen eine Datenbank, in der verschiedene Parteien (Zertifizierungsstelle, Versicherer, Käufer, Händler) auf die Blockchain Daten schreiben und die sich untereinander nicht vertrauen. Gegenwärtig gibt es außerdem keine geeignete und zuverlässige TTP. [1]
Blockchain und Distributed Ledger Technology sind nicht das zukünftige Allheilmittel, sondern die Technologien müssen differenziert für den jeweiligen Anwendungsfall betrachtet und abgewogen werden. Auch wenn die Blockchain-Technologie weiterhin in den Kinderschuhen steckt, lohnt es sich einen ersten Blick auf die vielleicht zukünftig disruptive Innovation zu werfen und sich frühzeitig mit der Thematik zu beschäftigen.
In dem nächsten Artikel zur Blockchain-Technologie werden wir einen Blick auf das SAP-System werfen und erläutern wie die Blockchain-Technologie unter SAP S4/HANA angewandt werden kann.
Quellenverzeichnis:
[1] Fertig, Tobias und Schütz, Andreas (2019): Blockchain für Entwickler. Grundlagen, Programmierung, Anwendung. Rheinwerk Verlag. 2019.
[2] Brünnler, Kai (2018): Blockchain kurz & gut. O’Reilly. 2018.
[3] Fisch, Christian O. (2019). Initial coin offerings (ICOs) to finance new ventures. Journal of Business Venturing, 34(1), 1–22.
[4] Iansiti, Marco und Lakhani, Karim R. (2017). The truth about blockchain. Harvard Business Review, 95(1), 118–127.
[5] Wüst, Karl und Gervais, Arthur (2018). Do you need a Blockchain?. Crypto Valley Conference on Blockchain Technology, 45–54.